Team Usability in Krisenzeiten – Screensharing für die Prüfung von mobilen Apps

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Anwendungsfall

Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir im Team-Usability-Projekt nach einer Methode gesucht, um weiterhin die Prüfmethodik für App-Tests zu entwickeln und dabei die Abstandsempfehlungen des Robert Koch-Instituts einzuhalten. Bisher ist das Praxis-Test-Team bei DIAS, blinder Prüfer mit sehender Assistenz, insbesondere beim App-Test immer wieder zusammengekommen, um gemeinsam an einem Smartphone einzelne App-Ansichten und Prozesse zu untersuchen und aus dieser Praxis geeignete Prüfschritte abzuleiten. In der derzeitigen Lage ist diese Methode in der Praxis kaum fortzuführen, ohne die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zu umgehen.

Home-Office und Videotelefonie

Zu Beginn der Pandemie haben wir uns bei DIAS bereits frühzeitig dazu entschieden, vornehmlich im Home-Office zu arbeiten, sodass im Büro maximal zwei Mitarbeiter:innen pro Raum gleichzeitig arbeiten, in kleinen Räumen nur eine:r. Für die Koordinierung der Arbeit setzen wir, wie viele andere Unternehmen auch, auf Videotelefonie.

Da wir in der Accessibility-Branche und insbesondere im BIK BITV-Test-Prüfverbund eng mit Selbsthilfeorganisationen zusammenarbeiten und ebenfalls Menschen mit Behinderung beschäftigen, ist die Barrierefreiheit der Videotelefonie-Lösung selbstverständlich eine elementare Anforderung für uns.

Konkret haben wir uns für den Anbieter Zoom Video Communications entschieden. Für Screenreader-Nutzer ist die Windows-Software nach eigener Erfahrung gut nutzbar und wird auch von unseren Partnern gern eingesetzt.

Wie es aktuell um die Barrierefreiheit verschiedener Videokonferenz-Lösungen steht, diskutieren verschiedene (englischsprachige) Blog-Artikel, etwa Which Video Conferencing Tools Are Most Accessible? oder Best video conferencing apps and software for accessibility.

Remote Assistenz mit Zoom

Auf der Suche nach einer Software-Lösung, mit der der Smartphone-Bildschirm unseres blinden Prüfers für seine Arbeitsassistenz freigegeben werden kann, haben wir herausgefunden, dass der Zoom-Client für Smartphones bereits eine solche Funktion anbietet. Das Team hat sich daraufhin intensiv mit den entsprechenden Zoom-Clients für Apple iOS und Google Android auseinandergesetzt, um die Tauglichkeit für die Prüfpraxis des App-Test-Verfahrens zu untersuchen.

Screenshot des übertragenen Smartphone-Bildschirms in Zoom: Startseite mit verschiedenen Apps.
In Zoom kann unser blinder Prüfer seinen Smartphone-Bildschirm für seine Arbeitsassistenz freigeben.

Die Bildschirmfreigabe in der Praxis

Die Bedienung von Zoom auf dem iPhone mit aktiviertem VoiceOver ist zwar stellenweise etwas hakelig, stellt aber kein Hindernis für den Praxiseinsatz dar. Nach etwas Eingewöhnung und Erklärung des Bildschirmaufbaus der App durch die Arbeitsassistenz können Videoverbindungen vom blinden Tester selbstständig etabliert werden. Auch die Bildschirmfreigabe kann so gestartet werden.

In der Praxis setzen wir Zoom sowohl in der Entwicklung der Prüfverfahren gemeinsam im Büro als auch getrennt im Home-Office ein.

Im Büro nutzen wir die Bildschirmfreigabe, um die Abstandsregeln beim Testen einzuhalten. Die Arbeitsassistenz kann dabei auf ihrem PC-Bildschirm verfolgen, was auf dem iPhone-Bildschirm des blinden Testers dargestellt wird. Das Team arbeitet dabei in einem Raum, kann aber einen beliebig großen Abstand halten. Die Sprachkommunikation ist in der Desktop- und mobilen App ausgeschaltet, um Rückkopplungen zu vermeiden, da beide ohnehin ohne elektronische Hilfsmittel miteinander sprechen können. Im Home-Office wird das gleiche Set-up mit aktivierter Sprachkommunikation eingesetzt, die Stummschaltung wird aufgehoben.

Remote Kontrastmessungen

Bei der Prüfung digitaler Angebote auf Barrierefreiheit ist die Messung von Kontrasten ein wichtiger Bestandteil und erfordert die Unterstützung durch eine sehende Arbeitsassistenz. In diesen Prüfschritten werden Text- und Grafikkontraste, zum Beispiel die Kontraste von Bedienelementen, getestet. Bei der Prüfung von Apps werden dazu Screenshots der verschiedenen Ansichten in der App erstellt und anschließend auf dem Computer mit dem Colour Contrast Analyser untersucht. Für eine flüssigere Arbeitsweise wäre es wünschenswert, wenn die Kontraste anhand einer Zoom-Bildschirmübertragung vom Smartphone zum PC gemessen werden könnten. Wir könnten auf diese Weise zumindest bei eindeutigen Messergebnissen auf die Erstellung von Screenshots und die Übertragung auf den PC der Assistenz via E-Mail verzichten, bei umfangreichen Prüfungen würde die Effizienz dadurch deutlich erhöht.

Um die Tauglichkeit dieser Methode zu bewerten, haben wir mit dem Colour Contrast Analyser Vergleichsmessungen zwischen Screenshots und dem Bild der Zoom-Bildschirmübertragung vorgenommen. Im Smartphone-Browser haben wir dazu eine Webseite mit Beispielfarbflächen (einfarbig, keine Farbverläufe) geöffnet, Screenshots erstellt und eine Bildschirmübertragung gestartet. Bei geringeren Kontrasten betrug die Kontrastabweichung von Screenshot und Bildschirmübertragung ca. 0,2. Bei höheren Kontrasten von 6:1 und aufwärts steigt die Abweichung auf bis zu 0,6. Da für uns vor allem der Kontrast bis 4,5:1 für die Konformitätsprüfung relevant ist, scheint die Remote Kontrastmessung für die Praxis tauglich zu sein. Lediglich bei sehr knappen Kontrastwerten im Bezug zum geforderten Kontrastverhältnis muss eine herkömmliche Prüfung anhand eines Screenshots stattfinden, um eine verlässliche Aussage über die Konformität zu treffen.

Screenshot einer übertragenen Smartphone-Ansicht in Zoom: ZDF-App und Colour Contrast Analyser.
Mit dem Colour Contrast Analyser kann das Kontrastverhältnis zwischen Hintergrund- und Vordergrundfarbe gemessen werden.

Fazit

Durch die Funktion der Bildschirmfreigabe auf iOS/iPadOS und Android entsteht eine neue und gut nutzbare Arbeitsweise für die Durchführung von App-Tests. Die Einschränkungen durch den Corona-Virus auf die Entwicklung des Prüfverfahrens und die Durchführung von App-Tests konnten wir durch diese Methode minimieren. Die Bildschirmfreigabe für die Arbeitsassistenz wird in unserem Team sicherlich auch nach der Krise regelmäßig zum Einsatz kommen. Die Bildschirmübertragung ist schnell etabliert und ermöglicht ein flexibles Arbeiten von Prüfer und Arbeitsassistenz. Insgesamt halten wir diese Methode für ein wertvolles Instrument unserer Prüfarbeit.

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